Die faszinierende Welt der Quanten erobern und neue Zukunftschancen schaffen

Science Fiction oder nicht? Quantencomputer sollen schon bald in der Lage sein, komplexeste Rechenaufgaben zu lösen, den Klimawandel zu simulieren, Verschlüsselungen zu knacken – und das innerhalb von Sekunden oder Stunden, wofür andere Höchstleistungscomputer Jahrzehnte brauchen. Denn sie berechnen die Aufgaben nicht nacheinander, sondern alle gleichzeitig, parallel. Das öffnet ungeahnte Chancen, gerade auch in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz.

Aber steht z.B. ein neues Quanten-Internet wirklich schon vor der Tür? Wie schnell werden wir mit Quantencomputern und anderen Quantentechnologien der zweiten Generation Probleme lösen, Geld verdienen und sie auch im Alltag nutzen können? Und was muss die Politik tun, um das zu fördern?

Inspirierende Diskussion mit Professor Tommaso Calarco

Um mehr über die faszinierende Welt der Quanten und über die Innovations-Chancen durch die Manipulation kleinster Teilchen zu erfahren, haben wir in unserer Forschungs-AG mit Professor Tommaso Calarco vom Forschungszentrum Jülich diskutiert – es war für uns alle inspirierend.

Dr. Calarco ist einer der führenden Quantenphysiker der Welt. Es hat mit seinem Quantum Manifesto ein milliardenschweres EU-Flagship-Förderprogramm angestoßen. Er hat mitgeholfen, dass in Jülich zurzeit der erste europäische Quantencomputer gebaut wird – damit Europa auch auf diesem Gebiet technologisch unabhängig wird. Und er hat an der Roadmap Quantencomputing mitgearbeitet, die die Bundesregierung kürzlich vorgestellt hat.

Wo stehen wir in Deutschland und Europa im Bereich der Quantentechnologien? Das Fazit von Professor Calarco: In der Quantenforschung sind Europa und Deutschland Spitzenreiter. Mit 2,65 Mrd. Euro – die insbesondere im Rahmen des Konjunktur- und Zukunftspakets bereitgestellt werden – investiert Deutschland die meisten Fördermittel in der EU. Doch bei den Spitzenpositionen im kommerziellen Quantenmarkt haben besonders die USA – aber auch Asien – die Nase vorn, mit großen treibenden Kräften Playern wie Google, IBM und Co., die es bei uns so nicht gibt.

Quantencomputer erst in 10-15 Jahren

Insgesamt ist der Quantenmarkt noch klein, gerade bei Quantencomputern. Abgesehen von einigen experimentellen Erfolgen und einzelnen Komponenten steckt die Entwicklung von großen, leistungsstarken Quantencomputern noch ziemlich in den Kinderschuhen. 10 bis 15 Jahre wird es wohl noch dauern bis zum ersten kommerziell nutzbaren Quantencomputer, mit dem man z.B. erfolgreich neue Medikamente oder Batterien entwickeln oder große Verkehrsströme in Echtzeit effizient lenken kann. Kleinere Quantencomputer für begrenzte Aufgaben könnten es jedoch durchaus früher schaffen. Nicht zu vergessen: Wir müssen uns schon jetzt auch auf die Software-Entwicklung konzentrieren.

Quantenkryptografie früher marktreif

Andere Quantentechnologien sind da weiter fortgeschritten und könnten schon bald die Spielregeln auf den Märkten verändern. Hier gibt es für deutsche Unternehmen konkrete Marktpotenziale.

So ist mit der Quantenkryptografie eine vollständig abhörsichere Kommunikation möglich – bis jetzt allerdings nur über etwa 100 Kilometer. Zurzeit werden Quantenrepeater entwickelt, um die Informationen auch über längere Strecken übertragen zu können und ein Quantennetzwerk aufzubauen. Mit dem Leuchtturmprojekt QuNET fördert das BMBF den Aufbau eines solchen Netzes für kritische Infrastrukturen. Unsere Hauptkonkurrenten hier sind die Chinesen. Es gibt aber auch schon Firmen, die Quantenverschlüsselung anbieten.

Quantensensorik und Co. schon jetzt aktuell

Am besten aufgestellt sind wir – auch unser Mittelstand – vor allem bei Quantensensorik, – messtechnik und –bildgebung. Hier können wir auf unseren Erfolgen bei den Quantentechnologien der ersten Generation aufbauen, insbesondere der Lasertechnik. Mit Quantensensoren kann man z.B. kleinste Magnetfelder, wie Gehirnaktivitäten, viel präziser messen als bisher und die MRT-Technik revolutionieren. Die Markreife ist da. Und quantentechnologische Atomuhren können Satellitensignale noch präziser nutzbar machen und vielleicht schon bald das autonome Fahren verbessern.

Was müssen wir tun für schnelle Markterfolge?

Wie können wir in Deutschland und Europa den Sprung der Quantentechnologien in die Märkte weiter beschleunigen?

Mit Professor Calarco waren wir uns in der AG einig, dass dies am wichtigsten ist:

  • Wir müssen uns breit aufstellen und nicht zu stark auf das Prestigeprojekt Quantencomputer setzen, denn in den anderen Quantentechnologiebereichen liegen kurzfristig die besten Marktchancen.
  • Wir können nicht auf die perfekte Lösung warten. Wichtig ist der schnelle Einstieg in den Markt, um ein Quantenökosystem aufzubauen, einschließlich Quantenrechenzentren, die auch von Mittelständlern genutzt werden können. Wir müssen schnell Prototypen entwickeln, damit neue Märkte schaffen und die Wertschöpfung bei uns generieren – nur so bleiben wir international konkurrenzfähig und schaffen Arbeitsplätze vor Ort.
  • All das kann nur gelingen, wenn wir EU-weit alle Kräfte bündeln und die Kooperation fördern: zwischen den Fachbereichen Quantenphysik, Informatik und Ingenieurwesen – zwischen Forschung, Industrie, Mittelstand und Start-ups – zwischen Unternehmen verschiedener Branchen. Wir brauchen mehr Cluster und müssen auch für den Mittelstand und für Startups die Einstiegshürden in den Quantenmarkt senken.
  • Es sollte insbesondere mehr Anreize für die Industrie geben, damit sie ähnlich wie in den USA zu Treibern der Quantentechnologien wird, Leuchtturmprojekte vorantreibt und zeigt, wie man mit Quantentechnologien Geld verdienen kann,
  • Wir müssen das Interesse für die Quantentechnologien bereits in der Schule wecken, um den „Quanten-Nachwuchs“ zu sichern. Ein schönes Beispiel dazu gibt es in Seitdem dort das Schulfach Quantenmechanik im letzten Gymnasialjahr eingeführt wurde, haben sich die Studienanfängerzahlen im Fach Physik deutlich erhöht.