Spannende Klausurtagung: Was tun gegen transnationale Repressionen aus Russland und China – und gegen die vielen Formen des Antisemitismus bei uns im Land?

Spannende Klausurtagung: Was tun gegen transnationale Repressionen aus Russland und China – und gegen die vielen Formen des  Antisemitismus bei uns im Land?

Unter vielen anderen Fragen, die der schockierende Tod von des russischen Regimekritikers Alexej Nawalny aufgeworfen hat, stellt sich auch diese Frage:

Hätte er überleben können, wenn er nach dem Giftanschlag vor fast vier Jahren in Deutschland geblieben wäre, wo man zunächst sein Leben retten konnte?

Darauf würde ich nicht wetten. Denn der lange Arm Putins reicht bis nach Deutschland und in andere Staaten, wo Regimekritiker Zuflucht gesucht hatten und auch dort Mordanschlägen zum Opfer gefallen sind – zum Beispiel in Großbritannien, aber auch in Berlin, Stichwort Tiergarten-Mord. Ähnlich geht auch China gegen Regime-Kritiker im Ausland vor. Aber auch der Iran und die Türkei sind sehr aktiv. Die zahlreichen weniger spektakulären Fälle bleiben meist im Dunkeln.

Thema 1: Transnationale Repressionen

Deshalb haben wir in der Klausurtagung meiner Menschenrechts-AG das Thema „Transnationale
Repressionen“
durch autoritäre Regime auf die Tagesordnung gesetzt. Wir haben mit hochkarätigen Experten darüber diskutiert, wie sich der deutsche Staat dagegen wehren kann – und muss, denn diese Verfolgung auf unserem Boden gefährdet nicht nur die Regimekritiker. Sie ist ein Angriff auf unsere Freiheit und Demokratie.

Dr. Marcus Michaelsen vom Citizen Lab der Universität Toronto klärte uns über die perfiden Methoden der Verfolgung von Dissidenten im Ausland auf, darunter Druck auf Familien, Erpressung durch die Botschaften, körperliche Angriffe bis hin zu Entführungen und Mord.

Die Verfolgten leiden unter gesundheitlichen Problemen, Isolation, beruflichen Einschränkungen, üben Selbstzensur und geben oft ihr politisches Engagement auf.

Die Verfolgung gefährdet auch die Rechtsstaatlichkeit, die Sicherheit, die Demokratie und die Souveränität der Staaten, in die die Regimekritiker geflohen sind.

Abschlussfoto mit unseren Referenten zum Thema Antisemitismus und meinen AG-Kolleg/innen

Dr. Ulrich Pferr, Leiter der Cyber- und Spionageabwehr im Bundesamt für Verfassungsschutz BdV berichtete speziell über die Aktivitäten des Iran und von China auf unserem Boden. Selbst Interpol wird von repressiven Staaten oft missbraucht, indem sie internationale Haftbefehle gegen unliebsame Regimekritiker stellen. Künstliche Intelligenz wird das Problem künftig weiter verschärfen.

Dolkun Isa, Präsident des Weltkongresses der Uiguren WUC, ist als Uigure – wie viele andere der rund 1.500 Uiguren in Deutschland – selbst Opfer von nationaler und transnationaler Repression. Er wird in seiner Arbeit behindert, seine Eltern starben in chinesischer Haft, seine Brüder sind ebenfalls inhaftiert.

Dr. Marcus Michaelsen/Universität Toronto, Michael Brand MdB, Dr. Ulrich Pferr/BfV, Dolkun Isa/WUC bei der Diskussion (vlnr)

Was tun gegen transnationale Repressionen?

Wie können wir uns gegen transnationale Repressionen wehren?

Auf jeden Fall muss das Bewusstsein für transnationale Repressionen, das Strafrecht an dieser Stelle und die Cybersicherheit weiter geschärft werden.

Ein sicherer Schutzstatus und eine zentrale Meldestelle für politische Verfolgte sind wichtig.

Wir müssen unsere Abhängigkeit gegenüber China weiter reduzieren.

Wirtschaftliche Menschenrechtssanktionen gegen China und andere Staaten müssen auf die Agenda. Die Cybersicherheit muss verstärkt und kommerzielle Überwachungstechnologie eingedämmt werden.

Empfehlungen des Citizen Lab der Universität Toronto gegen transnationale Repressionen auf einen Blick

Abschlussfoto mit unseren Referenten zum Thema Transnationale Repressionen und meinen AG-Kolleg/innen

Thema 2: Antisemitismus bekämpfen

Jüdisch zu sein, wird wieder immer mehr zum Risikofaktor in Deutschland und weltweit. Warum der Antisemitismus aktuell in Deutschland und weltweit nicht erst seit dem 7. Oktober 2023 zunimmt und was wir dagegen tun müssen, war deshalb unser zweites Schwerpunktthema.

Was ist Antisemitismus?

Schon allein die eindeutige Definition von Antisemitismus ist jedoch ein Problem.

Dr. Remko Leemhuis, Direktor des American Jewish Committee AJC, wies auf die Kerndefinition der Jerusalem Declaration hin: Danach ist Antisemitismus Diskriminierung, Vorurteil, Feindseligkeit oder Gewalt gegen Jüdinnen und Juden und jüdische Einrichtungen, nur weil sie jüdisch sind.

Laut Professor Dr. Stephan Grigat, Leiter des Centrums für Antisemitismus- und Rassismussudien CARS, ist Antisemitismus nicht nur Vorurteil oder Rassismus gegen Juden. Im Gegensatz zum Rassismus ist Antisemitismus historisch, aber auch aktuell bei dem Terrorangriff der Hamas auf Israel zusätzlich von einem starken Vernichtungswillen gegen vermeintlich Überlegene getrieben.

Man müsse zudem die verschiedenen Formen des Antisemitismus klar benennen: den rechten, den islamistischen und auch islamischen, den linken und den israelbezogenen Antisemitismus.

Marina Chernivsky von der Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung OFEK, wies auf die Widersprüchlichkeit hin, die mit dem antisemitischen Einstellungen bei einzelnen Personen, auch bei den Universitätsleitungen angesichts der jüngsten Zwischenfälle auch an deutschen Hochschulen, verbunden ist:

Einerseits die Einsicht in die Verantwortung vor der Geschichte, andererseits die emotionale Distanz gegenüber dem Leid des einzelnen, der antisemitisch verfolgt wird, der Abwehr der eigenen Familienverstrickungen in der Nazizeit, und das Missverständnis, dass man, wenn man gegen Israel ist, auf der richtigen Seite der Geschichte steht. Mehr Infos zum sogenannten Post-Shoah-Antisemitismus gibt’s hier.

Marina Chernivsky/OFEK, Knut Abraham MdB, Dr. Remko Leemhuis/AJC, Dr. Stephan Grigat/CARS bei der Diskussion (vlnr)

Welche Strategien gegen Antisemitismus?

Antisemitismus dient auch als Brückenbauer zwischen rechten Gruppierungen weltweit und muss strukturell bekämpft werden.

Was auf jeden Fall wichtig ist bei der Umsetzung der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben, die es seit 2022 gibt:

  • eine valide Datengrundlage zu antisemitischen Vorfällen, die es aktuell nicht gibt,
  • Strafverschärfungen bei antisemitischen Angriffen,
  • mehr Antisemitismusforschung und -Lehrstühle,
  • mehr Bildung, Prävention und Aufklärung, auch über die Geschichte des Nahostkonflikts, die vielen gar nicht wirklich bekannt ist,
  • die Einrichtung eine deutsch-israelischen Jugendwerks,
  • die jüdische Kultur in Deutschland stärker sichtbar machen,
  • das Hochhalten der Erinnerungskultur zum Holocaust,
  • den Einfluss ausländischer Staaten auf muslimische Gemeinden in Deutschland beenden,
  • eine Wende in der Iranpolitik, denn der Iran ist aktuell der Hauptprotagonist des Antisemitismus – das Regime leugnet auch den Holocaust.
  • eine regelmäßige Evaluierung der Strategie in kurzen Abständen.

Themen weiter verfolgen

Herzlichen Dank an unsere Referentin und die Referenten für den einen intensiven Dialog.

Wir werden die Themen in unserer Menschenrechts-AG weiter beraten.